Korea, das ist für Starcraft-Fans ja geradezu ein mystischer Ort. Hier versammelt sich die Weltelite, die mit ihrem, für Ausländer unerreichbarem Skill alle internationalen Wettbewerbe dominiert. Korea, der Ort, in dem alle in einer ganz anderen Dimension Starcraft zu spielen scheinen, wo immerzu bis auf die kleinste Nuance ausgefertigte Taktiken konstruiert und Micro-Skills bis zur Perfektion vollendet werden.
Dieses Bild, das sich zu einem großen Teil noch aus Brood War Tagen gehalten hat, wo dieses zugegebenermaßen auch gar nicht mal so übertrieben war, könnte aber bald schon ins Wanken geraten. Neueste Ergebnisse und direkte Vergleiche zwischen Koreanern und dem Rest der Welt zeigen ein viel ausgeglicheneres Matchup für Starcraft 2.
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Korea, Land der tausend Möglichkeiten (im eSport erfolgreich zu sein)
Ein Grund, warum Korea immer zum Weltherrscher der eSport-Nationen ausgerufen wird, ist sicherlich, dass die Starcraft-Szene in Korea schon seit langer Zeit vollkommen professionalisiert ist. Starcraft-Wettbewerbe füllen ganze Hallen, werden rund um die Uhr ins Fernsehen übertragen und locken mit märchenhaften Preisgeldern. Die Inszenierung ist so gelungen, dass man den Eindruck hat, einen professionellen Sport, wie bei uns z.B. Handball bewundern zu dürfen. Keine Spur von schüchterner Selbstironie bei der Aufmachung, keine Spur von Zurückhaltung, wenn es darum geht, Spiele und Spieler zu hypen. Erfolgreiche Gamer sind in Korea längst Medien-Stars, die gar Werbeplakate schmücken und tausende Fans hinter sich wissen.
Beim bloßen Anblick dieser Szene, die in ihrer Entwicklung dem Westen vollkommen enteilt ist, fällt es schwer zu glauben, dass diese eSport-verrückte Nation nicht in irgendeiner Art und Weise besser sein soll als wir, bei denen Computerspiele noch eine kleine Nische sind, gesendet aus simplen Studios, die aussehen, als hätte man einfach nur einen Schreibtisch mit einem Computer vor einen irgendwie billig präparierten Hintergrund geschoben. Die Vergleiche, die man in Brood War gespielt hat, schienen dies zu belegen. Die Koreaner galten als uneinholbar, was selbst die westlichen Progamer zugeben mussten.
Was man aber keineswegs vergessen darf ist, dass Korea, obwohl es durch seine florierende Szene eigentlich ein Anziehungspunkt ist, ein eSport-technisch sehr isoliertes Land ist. Koreanische Ligen und Meisterschaften werden fast nur unter Koreanern ausgespielt. Als Grund wird dann immer vorgebracht, dass die „Koreaner einfach besser sind, da kann keiner mithalten“. Aber ist das wirklich der einzige Grund? Um in den koreanischen Ligen mitspielen zu dürfen, muss man vor Ort sein.
Da die Terminpläne meist eng gestrickt sind, läuft das darauf hinaus, in Korea tatsächlich zumindest über die Dauer des Wettbewerbs zu leben. Nach Korea zu ziehen ist aber trotz der für professionelle Ausländer oft eingesetzten Subventionen (wie eine Wohnung) aber ein riesiges Commitment. Für seine Arbeit ins Ausland ziehen, dass klingt nachvollziehbar, aber dann nur für das Gaming so weit zu gehen? Da kommen bei einigen doch Zweifel auf (nachzulesen u.a. in diesem Interview mit TLO).
Auf der anderen Seite sind die Koreaner selber dann wieder relativ reisefaul. Allerdings gibt es im Ausland auch kaum etwas, was sie nicht auch im eigenen Land erreichen oder gewinnen könnten. Und für ein (für koreanische Verhältnisse) müdes Preisgeld extra eine anstrengende Reise auf sich zu nehmen, ist für viele dann doch keine Option.
Somit waren Clashes zwischen Koreanern und Ausländern bisher alles andere als an der Tagesordnung und eher eine Art unregelmäßiger „Temperaturfühler“. Dieser zeigte immer eine deutliche koreanische Dominanz an, doch die Zeiten scheinen sich zu ändern.
Der direkte Vergleich: Korea vs. The World
Durch das rapide Wachstum der westlichen Szene sind die dortigen Turniere nun auch für Koreaner interessant geworden. Starcraft 2 hat selber noch nicht den Grad des Medienhypes im eigenen Land erreicht, den der immer noch gefeierte Vorgänger bis heute genießt und der Westen streckt seine Fühler immer weiter aus. So sind ausländische Spieler in der GSL nun immer regelmäßig vorhanden (auch wenn diese bisweilen bei der Platzvergabe bevorteiligt werden) und können sich auch zum Teil erstaunlich gut schlagen.
Letzte Turnierergebnisse, die ein neues Licht auf die vermutete koreanische Dominanz werfen, sind die TSL3 und die GSL World Championship. In beiden traten koreanische gegen ausländische Vertreter ihrer jeweiligen Eliten an – und, wer hätte das gedacht:
Die bis dahin auf ein Podest gesetzten Koreaner schienen gar nicht so unbesiegbar zu sein. Die für den Westen angetretenen Spieler blieben mit ihren ostasiatischen Opponenten mindestens auf Augenhöhe und konnten ein ums andere Mal sogar für einen Upset sorgen. Auch wenn einige Träumer für die schlechten Ergebnisse zum Teil Lag oder andere vorgeschobene Gründe verantwortlich machen wollen: Selbst die Spiele, in denen man durchaus einen Latenz-Nachteil für die Koreaner vermuten kann, wurden durch schlechte Entscheidungen und/oder Macro verloren.
Der Westen hat aufgeholt und es scheint, als wären die beiden „Welten“ nun endlich gleichauf.
Witzigerweise scheint dies selbst die Koreaner zu irritieren, die sich nur zu gern in ihrem auch vom Ausland mitgespushten Selbstverständnis gesonnt haben. Das Stündchen der keine Grenzen kennenden Korea-Mystifizierung scheint geschlagen zu haben. Das heißt natürlich nicht, dass die Koreaner in naher Zukunft schon nach hinten abfallen werden. Koreas Top-Gamer sind weiterhin ein hoher Maßstab, mit denen nur wenige auf der Welt gleichziehen können.
Es wird interessant zu beobachten, wie die Ergebnisse in der NASL sein werden, in der wieder viele Koreaner gegen westliche Pros antreten werden. Mit der zunehmenden Professionalisierung im Westen kann man gespannt sein, ob wir unsere asiatischen Freunde vielleicht selbst mal in den Schatten stellen können. Bis es aber überhaupt so weit kommen kann, wird es allerdings noch einige Zeit dauern – Zeit, in der mit spannenden Partien weiterhin versucht werden wird, das Spiel und das Spielen einen Schritt weiter an die Perfektion zu führen. Der einzige Gewinner in diesem Contest ist dabei immer der eSport und alle die sich daran erfreuen.
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